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5 Ansätze Usability-Probleme zu identifizieren

Gute Usability ist essentiell wichtig für moderne Webanwendungen und Apps, damit sie gerne und erfolgreich verwendet werden und der Supportaufwand klein bleibt. Sie ist aber auch schwer greif- und messbar. Diese fünf Ansätze helfen, einen Einstieg in das Thema zu bekommen und die größten Problempunkte zu identifizieren.
Carla Roocks
Carla Harth
27. Februar 2022

Einleitung

Eine intuitiv bedienbare Anwendung, in der jede:r Nutzer:in sich sofort wohlfühlt - das ist vermutlich eine der häufigsten Anforderungen bei Softwareprodukten. Allerdings ist es ein schwer greifbares und messbares Ziel, das bei der Umsetzung meistens eher als Randnotiz “so nebenbei mit beachtet” wird. Dabei ist es essentiell, dass User sich gut und schnell zurechtfinden. Die besten und noch so ausgefeilten Funktionen sind schlicht und ergreifend nutzlos, wenn sie nicht gefunden werden oder nicht bedient werden können und die gesamte Interaktion in Frust endet.

Aber wie geht man vor, wenn gute Bedienbarkeit mehr in den Fokus gerückt und eine bestehende Anwendung evaluiert und verbessert werden soll? Typische A/B-Tests sind durchaus verbreitet, aber zunächst muss man identifizieren, an welchen Stellen überhaupt unterschiedliche Varianten getestet werden sollen oder welche fundamentalen Hindernisse es gibt.

Das Grundproblem: Betriebsblindheit

Das größte Problem bei der Beurteilung von Usability ist die eigene Betriebsblindheit aller Beteiligten. Es lässt sich schlicht nicht vermeiden, dass man als Entwickler:in oder Product Owner nach monate- oder jahrelanger Arbeit an einer Applikation diese in- und auswendig kennt. Gefühlt ist es sonnenklar, dass man für den Export in einen bestimmten Ansichtsmodus gehen und oben genau jenes Icon klicken muss, weil man es selbst implementiert und schon x-fach gemacht hat. Dass dieser Weg für neue Nutzer:innen vielleicht sehr umständlich ist, der Button unklar benannt oder das Icon missverständlich, fällt gar nicht mehr auf. Neben dem Bewusstsein, welche typischen Fallstricke es geben kann, ist also die größte Herausforderung bei der Optimierung von Usability, die für einen selbst so altbekannte Anwendung mit neuen Augen zu sehen. Dabei helfen folgende Techniken.

Typische Probleme

Es ist sehr hilfreich typische Fehlerquellen im Hinterkopf zu haben.

Performance: Eine träge Anwendung frustriert und verdirbt das gesamte Nutzererlebnis. Dieser Aspekt ist relativ leicht messbar und oft wird bereits Augenmerk darauf gelegt.

Übersicht: Ein klares Design und deutliche Struktur helfen, sich in der Anwendung zurechtzufinden. Wenn die Navigation sich plötzlich stark verändert oder unterschiedliche Bedienungsmodi (wie z.B. Entwurf und veröffentlichte Version eines Dokuments) optisch nicht klar erkennbar sind, dann fühlt sich ein:e Nutzer:in sehr schnell verloren. Genauso sollten interaktive Elemente klar als solche erkennbar sein.

Benennung und Icons: Die klare Benennung von Menüeinträgen und Buttons ist essentiell wichtig und kein triviales Problem. Es soll kurz und trotzdem eindeutig verständlich sein. Dasselbe gilt für Icons. Am einfachsten ist es sich auf etablierte Formulierungen und Icons zu verlassen, die hohen Wiedererkennungswert haben. Humorvolle Varianten können je nach Kontext sehr unterhaltsam sein, aber bergen immer das Risiko für Missverständnisse.

Struktur: Der Bedienfluss durch die Anwendung muss gut gegliedert sein und Navigationen und Menüs sinnvoll gruppiert. Zu lange Auflistungen werden schnell unübersichtlich, gleichzeitig sollten ähnliche Funktionen nah beieinander sein und häufig genutzte schneller erreichbar als selten benötigte.

All das trägt dazu bei, dass neue Nutzer:innen ohne große Lernkurve Funktionen dort finden, wo sie sie erwarten. Dabei kann durchaus auch domänenspezifisches Wissen eine Rolle spielen - eine Anwendung muss nicht für absolut jeden Menschen gut bedienbar sein, aber für jeden aus der relevanten Zielgruppe. Je komplexer der Funktionsumfang, desto eher ist eine gewisse Lernphase unumgänglich, aber gute Usability verkürzt sie trotzdem so weit irgend möglich. Wenn eine Funktion schlecht gefunden oder verstanden wird, dann ist in erster Linie die Anwendung schuld - nicht die Nutzer.

1. Szenarios: Was will ein User eigentlich tun?

Es ist essentiell, sich klarzumachen, was ein User eigentlich mit der Anwendung tun möchte. Statt eher kleinteilige Use Cases verwendet man im Bereich der Usability gerne Szenarios, die exemplarisch je einen typischen Anwendungsfall darstellen sollen. Das könnte zum Beispiel sein, dass ein:e Nutzer:in schon unterwegs in ein Meeting ist, aber noch die erfassten Daten für eine bestimme Arbeitsgruppe über die letzten zwei Monate als PDF exportieren möchte. Mit so einem klaren Szenario im Kopf fällt es leichter sich in die Rolle der User zu versetzen. Vom ersten Screen an muss man sich fragen, nach welchem Schlüsselwort sie suchen. Welcher Button oder Menüeintrag führt eher in Richtung Ziel? Wie einfach ist der nächste Schritt zu finden? Diese Technik nennt sich Cognitive Walkthrough.

Je nach Anwendung kann auch essentiell sein, in welchem Umfeld die User sich in dem Moment befinden. Hat sie perfekte Lichtverhältnisse und einen großen Bildschirm oder joggt er gerade durch den Regen, um noch den Bus zu erwischen, und tippt nebenher auf sein Handy? Nur selten widmen wir einer Anwendung wirklich 100 % unserer Aufmerksamkeit und es liegt in der menschlichen Natur Dinge auch mal zu übersehen. Es gibt die Merkhilfe “The user is drunk”, um zu betonen, dass Nutzer:innen durchaus nicht dumm sind, aber eben manchmal unachtsam.

2. Es wird greifbar und bunt: Personas

Wer noch einen Schritt weitergehen möchte, kann Personas erstellen. Vielleicht existieren sie sogar bereits und wurden im Prozess des Product Designs verwendet. Die Idee hierbei ist zwei bis vier typische, aber möglichst unterschiedliche User ganz konkret zu visualisieren - mit Namen, Alter, Beruf, allgemeinem Hintergrund, Charakter, passendem Bild und natürlich einer Motivation, weshalb sie die Anwendung nutzen. Personas sollen farbenfroh, lebendig und greifbar wirken, denn so fällt es leichter zu überlegen, was Mike, der hemdsärmlige Handwerker mit wenig Zeit und Nerven für Technikkram, brauchen könnte.

Mit Personas werden nun auch Szenarien noch bunter, denn vielleicht haben zwei davon ein ähnliches Ziel, aber ganz unterschiedliche Voraussetzungen oder Herangehensweisen ans Ziel zu kommen? Personas sind sehr hilfreich dabei sich in potentielle Endnutzer wirklich hineinzuversetzen. Und allgemein ist es immer gut im Hinterkopf zu haben, für wen man eigentlich diese Anwendung entwickelt.

3. Der Schwarz-Weiß-Trick

Um schnell einen neuen Blick auf eine altbekannte Anwendung zu bekommen, kann es helfen das Display einfach mal auf Graustufen umzustellen. Die ungewohnte Ansicht macht es leichter gedanklich einen Schritt zurückzutreten und alles mit anderen Augen zu sehen.

Gleichzeitig kann so auch ein Aspekt der Barrierefreiheit evaluiert werden: in schwarz-weiß fällt sofort auf, wenn bestimmte Funktionen nur mit Farbe statt mit zusätzlich Icons oder Schrift angezeigt werden. Bei Farbenblindheit ein großes Hindernis, das sonst nur schwer auffällt.

4. Neue Perspektiven von neuen Leuten

Nichts hilft besser gegen die eigene Betriebsblindheit als Impulse von neuen Leuten. Jemand steigt neu ins Entwickler-Team ein? Es gibt eine Nutzerschulung oder beim Kunden wird die Abteilung erweitert? Perfekt! Eine ideale Gelegenheit, die neuen Leute vor die Anwendung zu setzen und zu beobachten. Oft ist es hilfreich einige konkrete Aufgaben zu stellen (zum Beispiel eines der oben erwähnten Szenarien) und dann einfach zu beobachten wie mit der Anwendung umgegangen wird. Halten Sie Zettel und Stift bereit, um mitzuschreiben, welche Probleme auftreten, an welchen Stellen vielleicht länger nach einer Funktion gesucht wird oder ob es Missverständnisse gibt. Sehr hilfreich ist hierbei auch die Technik Lautes Denken bei der die User kontinuierlich laut aussprechen sollen, was gerade in ihrem Kopf vorgeht.

Derselbe Test kann natürlich auch mit einer Stichprobe von Endnutzern gemacht werden. Das kann sehr aufschlussreich sein, gerade wenn die Zielgruppe einen ganz anderen Hintergrund hat, als die am Entwicklungsprozess beteiligten Personen. Aber es ist oft nicht einfach so etwas zu organisieren. Die natürliche Fluktuation zu nutzen ist immerhin ein guter erster Schritt und lässt sich ohne großen Aufwand in den Onboarding-Prozess integrieren.

5. Für die Zukunft: Zeit für Mockups einplanen

Natürlich ist es am besten Usability konstant im Blick zu haben. Warum nicht für neue Features ganz selbstverständlich Zeit für ein Usability-Konzept in Form von Wireframes, also groben Skizzen, oder einem optisch ausgearbeiteten Mockup einplanen? So wie Tests ein integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses sind, damit Code langfristig stabil und wartbar bleibt, so sind Usability-Überlegungen essentiell, damit eine Anwendung auch mit wachsendem Funktionsumfang gut und intuitiv bedienbar bleibt.

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